Mittwoch, 22. September 2010

#3

Laufen lernen

Film und Fernsehen sind die großen Themen unserer Generation. Jeder möchte doch gerne etwas mit diesen Medien machen – oder er möchte schreiben und designen und zwar bitte ganz viel. Doch nicht immer bekommt man Hilfestellung von seiner Umgebung. Das liegt daran, dass man Freunde vorstädtischer Natur hat, die sich nur fürs Skaten interessieren, oder weil Mama will, das man eine solide Ausbildung macht. Soll man also den Rest seines Lebens im dunklen Kämmerchen verbringen?

Die Antwort lautet „Nein“ und mal wieder kommt einem das Internet zur Hilfe

Als Jugendlicher wird man in den Mainstream hineingezwungen. Donnerstagabends „Popstars“, samstagabends „Superstar“. Schreiben und Lesen werden auf ein Minimum reduziert. Was passiert, wenn man sich ernsthaft für Serien und Filme interessiert? Man wird oft ausgegrenzt wegen mangelnden Verständnisses. Man schwärmt lieber für Kirsten Bell und Chloë Sevigny als für Angelina Jolie – „wtf?“ Man verbringt Nächte damit, sich im Internet amerikanische Serien wie „Glee“ oder „Melrose Place“ (reloaded) reinzuziehen, anstatt „TV Total“ zu kucken – „Du Freak!“ Und natürlich schreibt man Fanfiction – „Nerd! Nerd! Nerd!“ Was soll man tun? Seine Inspiration für sich behalten, bis sie in einem jämmerlich verendet? Sein Talent fürs Schreiben oder Grafik designen geheim zu halten, obwohl mal wirklich etwas aus einem werden könnte? Und selbst wenn das Talent noch nicht so ausgeprägt ist, bedarf es keiner Förderung?

Das Internet nimmt sich dem mal wieder an. Es gibt unzählige Seiten, von http://www.livejournal.com/ über http://www.buffyfanfiction.info/, die Serienjunkies vereinen. Hier kann man die neuesten Spoiler, also Gerüchte rund um eine unausgestrahlte Episode, austauschen oder seine Fanfiction veröffentlichen. Doch das Angebot ist groß und unübersichtlich. Und vielleicht will man darüber hinaus ja noch etwas entdecken. Warum also nicht eintauchen in die Welt von http://www.virtual-tv.org/?

Auch hier war die Vorlage amerikanischer Natur. Ambitionierte Autoren verfrachteten ihre geschriebenen Serien ins Internet. Nichts, das in den Bereich Fanfiction passt, aber auch nicht in den Bereich Roman. Um ihren Charakteren ein Gesicht zu geben, suchten sie sich Schauspieler aus. Mit denen als Markenzeichen bauten sie sich Homepages, promoteten ihre Werke als wäre es eine echte Serie und fanden damit großen Anklang. Manche führten auf PVT, dem ersten amerikanischen virtuellen Fernsehsender, auch beliebte Serien weiter, wie z. B. http://www.thewatcherscouncil.net/, und sicherten sich so eine eigene Fangemeinde.

Mehr als nur eine Plattform für Geschriebenes

Schnell schwappte das Projekt nach Deutschland und noch schneller fanden sich deutsche Serienfans und Filmliebhaber, die ihre Projekte mit der Welt teilen wollten. Erst auf der Seite DVT, später auf VTV, also http://www.virtual-tv.org/, wo sich noch immer die Fans tummeln. Was sich entwickelte, war eine virtuelle Serienlandschaft, der reellen nicht unähnlich. Es gibt Awardshows wie die Emmys, nur heißen sie VTV Annual Awards oder wurden früher vom geschlossenen Projekt DTV vergeben. Es gibt Charts und Leserzahlenauswertungen, genauso wie es in echt die Quoten gibt. Und mit WatchMe! gab es eine Zeit lang sogar eine Art virtuelle Fernsehzeitschrift. Mit Hilfe von Grafiken, selbst gemachten Videos und Reviewern bzw. Betalesern spannt man die Flügel seiner Kreativität weiter aus. Ein Pionier des ausgefallenen Marketing ist sicherlich http://www.faye.at.tf/. Vorbild eine Animeserie aus 80er Jahren mit eigenem Twitter-Account, Pressarchive und Blog.

Die virtuellen Serien machen auch nicht davor Halt, ausgefallene Soundtracks zu wählen oder wie www.myblog.de/class-of-00 in „Sex and the City“-Manier auf eine großartige Garderobe zu setzen. Dabei befruchten die Autoren einander auf künstlerische Weise und Fans können schnell auch zu welchen werden. Hohe Maßstäbe werden gesetzt – das Auswahlverfahren ist nicht einfach zu überwinden. Dennoch gibt es eine Chance für jeden – auf http://www.virtual-tv.org/ selbst findet man Schreibtipps und Inspirationsquellen. Originelle Konzepte sind das a. o. in der virtuellen Serienwelt. Junge Autoren lernen hier das Laufen.

Wenn man aber eigentlich nur seine Lieblingsserien vermisst, ist man hier dennoch Gold richtig. Auf Seiten wie xanderman01.xa.funpic.de und http://www.thecreekfanfix.de/ (jetzt geschlossen) werden Kultserien wie „Buffy“ oder „Dawson’s Creek“ weitergeführt. Wer mehr auf Filme steht, kann sich an http://swnf.virtuelleserie.de/ erfreuen. Hier sind wirkliche Fans am Werk , interessiert an den großen Dingen in Hollywood, also kann man hier auch am besten ablesen, welche Produktionen und Darstellern bei den Autoren am besten ankommen, hoch im Kurs sind momentan zum Beispiel Alexis Bledel aus „Gilmore Girls“ und einige Darsteller aus „90210“. Die virtuellen Serienschreiber machen aus Kult wirklich Kult.

Wer sich nicht vom Fieber anstecken lassen will, ist auf der Plattform trotzdem genau richtig – hier wird nämlich auch über reale Serien und Filme diskutiert. Schauspieler werden porträtiert, es gibt lustige Aktionen zu Feiertagen und man kann Freundschaften schließen, die einen über Jahre hinweg begleiten. Virtuelles Fernsehen ist für jung und alt. Und alle mal besser als das dunkle Kämmerchen.