Sonntag, 13. März 2011

#21

Geistig-ethnisch-einwandfrei?

„Wie, du kuckst den Disney Channel?“, entgeisterte Gesichter blicken einem entgegen, wenn man von seiner guilty pleasure erzählt. Aber ja, so ist es nun mal, wenn man ein Monat in den Vereinigten Staaten verbringt und man sich morgens beim elendigen Haarewaschen irgendwie bei Laune halten muss, es aber weder Radio noch Videoclips auf MTV USA gibt. Die Entgeisterung rührt meistens von der Assoziation mit den Disney Prinzessinnen – sofort kommen da die Gedanken daran hoch, dass die eigentlich nichts weiter zu sein brauchen als wunderschön, um aus ihrer jeweiligen misslichen Lage befreit beziehungsweise weggeheiratet zu werden. Die einzige Ausnahme bildet wohl höchstens der Charakter der „Mulan“, die sich allerdings auch erst als Mann verkleiden musste, um ihr Land zu befreien.
Nicht, dass ich besonders scharf darauf wäre, mir schon morgens Zeichentrick zu geben – eigentlich rede ich von den Hassobjekten aller Eltern: „Hannah Montana“, „JONAS“, „Hotel Zack & Cody“ und so weiter und so fort. Nicht unbedingt etwas, auf das man besonders stolz ist, aber man kann es eben auch nicht ändern. Während man sich also geistig am Vorabend wahrscheinlich nur ein wenig mehr fordert als der handelsübliche GZSZ-Kucker, bleibt die Frage nach dem Ethnischem, das einem – und somit auch den zehnjährigen Kindern des Kollegen gegenüber – da vorgesetzt wird.
War in den 90ern bei einer typischen Disneyserie noch eine klischeehafte, aber zumindest nicht allzu schmerzhafte Rollenverteilung im Vordergrund (bei „Lizzie McGuire“ gab es die tollpatschige, aber smarte Hauptdarstellerin, gespielt von Hilary Duff, ihren nerdigen besten Freund, den gutaussehenden, aber strunzdummen Schwarm, die zickige Cheerleaderin und fürsorgliche Eltern), sind die Stars der neuen Serien so wenig role models, dass es noch viel mehr wehtut als die Tatsache, dass Hollywood sich gerne auf schusselige Hauptprotagonistinnen beschränkt und das nicht erst seit Bella Swan in „Twilight“.
In den beiden Serien der Sprouse-Zwillinge beispielsweise – die männliche Variante der längst dem Kinderfernsehen entwachsenen Olsen Twins, nur weniger intelligent – gibt es den Charakter der London Tipton, gespielt von Brenda Song, die sich großer Beliebtheit erfreut. Sie ist eine Art Paris Hilton, die den ganzen lieben, langen Tag nichts anderes macht, als sich über Äußerlichkeiten zu definieren und ihre Umwelt gleich mit.
„Hannah Montana“ mag zwar wenigstens noch eine selbstständige junge Frau mit erfolgreicher Karriere sein, doch bereits in der Serie nimmt ihr Vater eine wichtige Rolle ein. Auch im echten Leben steuert Billy Ray Cyrus Miley Cyrus’ Karriere in bester Lynne-Spears-Manier: Miley ist schon jetzt darauf prädestiniert, sich den Kopf kahl zu scheren, denn immerhin soll sie jetzt mit ihren 17 Jahren ohne Hose so schnell wie möglich zum Sexsymbol werden.
Die Einzige, der man einem feministischen Hintergrund zusprechen kann, ist Alex Russo, gespielt von Selena Gomez, aus der Serie „Die Zauberer vom Waverly Place“. Niemand außer ihr selbst bestimmt, wie sie ihr Leben führt, nicht nur, weil sie eine Zauberin ist, sondern weil sie immer ihre Meinung sagt und keine Angst vor Kämpfen und Kleinkriegen hat. Wenn Alex etwas will, dann bekommt sie es auch.
Auch Kollegin und beste Freundin Demi Lovato hätte in ihrer Rolle als „Sonny Munroe“ weit mehr geben können als ein kleines Dummchen, immerhin ist dieser Charakter die Außenseiterin und trotzdem immer die Gewinnerin. Doch nicht nur ihre Paraderolle als farblose Mitchie in den beiden „Camp Rock“-Filmen war da im Weg, sondern auch ein Nervenzusammenbruch der jungen Schauspielerin. Ihre Rolle wurde in der Serie – trotz der Hauptfunktion – gestrichen.
Wirklich cool dürfen nur die Jungs in den Serien sein, die Disney eigens für ihre männliche Zielgruppe konzipiert hat: „Zeke & Luther“, die beiden lässigen Skater, und „Trip’s Rockband“, in der sich der Hauptdarsteller durch stets zerrissene Jeans in einer weltbekannten Rockband behaupten darf. Seine beste Freundin ist zwar auch irgendwie cool, aber auch irgendwie schräg.
Hier hat also Nickelodeon die Nase vorne. Dieser Konkurrenzkindersender konnte nämlich nicht nur Anfang der 90er Jahre „Clarissa“ bieten, sondern jetzt auch „iCarly“ – mit deren Kiss-Ass-BFF Sam – und „Victorious“, indem Victoria Justice (trotz unbestreitbarer Ähnlichkeit zu den Disney-Sternchen Selena Gomez, Demi Lovato und Vanessa Hudgens) selbstbewusst jedem die Stirn bieten kann.
Bleibt abzuwarten, ob die nächste Generation aus London Tiptons bestehen wird, denn immerhin lässt man sich als Kind vom Fernsehen mehr als nur üppig beeinflussen. Was in diesem Fall nun wirklich fatal wäre.
Und wenn dann doch wieder die Frage nach dem Zeichentrick fällt, ob man denn wirklich sicher ist, das nicht zu kucken – während hinter dem Rücken im Handy schon der Notruf gedrückt wird -, dann bleibt einem nur der Verweis zur Serie „Daria“. Geistig-ethnisch-einwandfrei.